Die Gegend an den Nordhängen des Sudeten-Gesenkes hat sich mit blutigen Buchstaben in die Geschichte unseres Landes eingeschrieben. Auf Befehl der bourgeoisen Staatsmacht fielen am 25. November 1931 an der Straßenkreuzung in Dolni Lípová (Nieder-Lindenwiese) an der nach der Bezirksstadt Jeseník (Freiwaldau) führenden Straße durch Gewehrschüsse der Gendarmerie acht Proletarier, die für Brot, Arbeit und Freiheit demonstrierten.
Jeseníky wurden zum Synonym des Bourgeoisen Terrors. Mit seinem Namen verknüpft sich aber auch ein flammender Protest und erbitterter Kampf der Werktätigen, ein Abschnitt der Geschichte der Kommunistischen Partei der ÈSR.
Es war im Herbst des Jahres 1931. In der kapitalistischen Tschechoslowakei, wie in der ganzen damaligen kapitalistischen Welt, verschärfte sich die wirtschaftliche Krise zusehends. Sie erfaßte in der ÈSR fast alle wirtschaftlichen Zweige und das gesamte gesellschaftliche Leben. Der Arbeiterschaft drohten empfindliche Lohnsenkungen und einer großen Zahl von Arbeitnehmern Entlassungen. Die bedrohten Arbeiter, Arbeitslosen und auch diejenigen, denen die Entlassung aus den Betrieben drohte, begannen unter Führung der KSÈ einen gemeinsamen Kampf für die Wahrung ihrer Rechte. Im Bestreben sich auf Kosten der Arbeiterschaft die bisherigen Profite zu erhalten, steigerte die Bourgeoisie den wirtschaftlichen Druck. Die grundsächlichsten Klassenunterschiede traten in dieser Zeitepoche offen zu Tage. Wie immer in ählichen Fällen, so auch hier offenbarte sich der Charakter der Staatsmacht als Werkzeug der Klassenherrschaft der Bourgeoisie. Der Staatsapparat verteidigte offen die Interessen der Minderheit - der Bourgeoisie, sowohl der tschechischen, wie auch der schwächeren deutschen, slowakischen und ungarischen Bourgeoisie gegen die Arbeiterschaft der ÈSR ohne Unterschied der Nationalität. Er tat dies mit einer solchen Brutalität, daß selbst die treuesten Anhänger der „Masaryk-Demokratie“ sich von dieser abzuwenden begannen. Bewaffnete Eingriffe der Gendarmerie im Interesse der Kapitalisten mehrten sich: Radotin (Radotin), Duchcov (Dux), Košuty (Kossuth) und am brutalsten in Freiwaldau.
Kurze Zeit vor diesem Blutvergießen verzeichneten die Arbeiter der Kalköfen und Steinbrüche in Vápenná (Setzdorf) gemeinsam mit den Arbeitslosen einen bemerkenswerten Erfolg im Kampfe gegen die Fabriksbesitzer. Die Fabrikanten mußten die beabsichtigte Lohnsenkung widerrufen. Der Sieg war das Ergebnis einer richtigen Taktik der gemeinsamen Front. Unter Führung der Kommunistischen Partei der ÈSR vereinigten sich alle Arbeiter ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit zum gemeinsamen Kampf um die Wahrung ihrer Rechte. Sie lehnten die reformistische Idee der Unmöglichkeit eines wirtschaftlichen Kampfes in der Zeit der Krise ab.
Der erfolgreiche Kampf der Kalkofen- und Steinbruchbelegschaft, ihre Solidarität mit den Arbeitslosen und umgekehrt, die volle Unterstützung der Streikenden durch die Arbeitslosen bedeutete in der Zeit der verschärften wirtschaftlichen Krise für die Bourgeoisie eine große Gefahr. Der Erfolg der Arbeiterschaft konnte leicht zum nachahmenswerten Beispiel für die ganze Arbeiterklasse der ÈSR werden. Deshalb entschloß sich die Bourgeoisie gegen die beabsichtigte Großkundgebung der Steinbruch- und Kalkofenarbeiter des ganzen Bezirkes mit Waffengewalt vorzugehen. Die Protestkundgebung und der Demonstrationsmarsch der Arbeiter und Arbeitslosen in die Bezirksstadt sollte - wie sich einer der einschreitenden Gendarmen ausdrückte - um „jeden Preis“ verhindert werden. Dieser Auftrag wurde um den Preis von acht Toten und vieler Verwundeter, von denen mancher von hinten angeschossen wurde, erfüllt.
Nach diesem brutalen Einschreiten der bourgeoisen Staatsgewalt erhob sich eine mächtige Protestwelle in der ganzen Republik. Es protestierten Arbeiter, Bauern und die Intelligenz - die Gesamtheit der Werktätigen aller Nationalitäten. Die Streikbewegung breitete sich auf die ganze Republik aus. Der Einfluß der Sozialen Demokraten und Nationalen Sozialisten verlor unter den Arbeitern immer mehr an Einfluß. Die Arbeiter begannen - wie sich Genosse Klement Gottwald ausdrückte - sich zu verstehen; die Beschäftigten mit den Arbeitslosen, die organisierten mit den unorganisierten. Sie alle vereinigten sich zum gemeinsamen Kampf. Der Einfluß der Kommunistischen Partei wuchs, denn diese allein verteidigte kompromisslos die Rechte der Arbeiterschaft. Sie wurde zum wahren und einzigen Führer und Organisator breit angelegter Protestkundgebungen auch nach dem Blutvergießen.
Einen überzeugenden Beweis für das Anwachsen des Einflusses der KSÈ bildeten auch die von der Intelligenz zum Ausdruck gebrachten Ansichten. Ein Großteil der Intelligenz unterlag in der Zeit der Konjunktur der Illusion des unparteiischen, humanitären Charakters der Regierung Masaryks. Der sich ausweitende Terror der Bourgeoisie hatte jedoch zur Folge, daß die Intelligenz die Taten der Bourgeoisie und ihrer Staatsmacht nüchtern und real aufzufassen und die Kommunistische Partei richtig zu verstehen begann. Nach dem Blutvergießen in Freiwaldau drückten viele Gelehrte, Schriftsteller, Künstler und Schauspieler sehr entschieden und in scharfen Worten ihre Enttäuschung über das Regime in der ÈSR aus. Eindeutig verurteilten sie die Absichten der Bourgeoisie, das politische Leben zu faschisieren und die um ihr Brot und Arbeit kämpfende Arbeiterschaft mit Gewalt zum Schweigen zu zwingen.
In der Zeit des Freiwaldauer Blutbades gelang es der KSÈ die breiten Massen der Arbeiterschaft zur allgemeinen Verurteilung der bourgeoisen Praktiken zu organisieren. Die Partei festigte ihre Verbindung mit den Werktätigen. Es gelang auch den Terror im Lande auf einige Zeit zudämpfen, denn die Bourgeoisie sah sich unter dem Druck der Protestbewegung genötigt, die Persekution einzustellen und öffentliche Demonstrationen in verschiedenen Städten der ÈSR zuzulassen.
Freiwaldau ist nicht nur Geschichte, es hat auch Vieles zum heutigen Geschehen zu sagen. Die Propaganda der westlichen Bourgeoisie und vornehmlich die Emigranten bemühen sich die bourgeoise ÈSR als Beispiel der Freiheit hinzustellen. Freiwaldau ist aber ein überzeugendes Dokument der Unfreiheit in der kapitalistischen ÈSR.
Und noch Eines darf nicht vergessen werden. Freiwaldau ist ein Beitrag zur gemeinsamen Tradition mit den revolutionären, fortschrittlichen Deutschen. Viele von denen, die an den Hungermärschen, Demonstrationen und Streiken im Freiwaldauer Kreis und im ganzen Gebiet Nordböhmens und Nordmährens teilnahmen und die Leiden des Krieges und der nazistischen Persekution überlebten, übersiedelten freiwillig nach dem Jahre 1945 nach Ostdeutschland, um dort einen echten Arbeiter- und Bauernstaat, den ersten in der Geschichte Deutschlands, aufzubauen.